Portugal und Nordspanien 27.6. – 22.7.

 

In Lagos ist es wieder stürmisch. Die Geduld, mit der darauf gewartet werden muss, weiter zu kommen, wird allmählich auf eine ziemlich harte Probe gestellt. Wir mieten auch hier ein Auto und erkunden die Gegend von oben, die wir in den nächsten Tagen mit Respekt umrunden werden: Die Küste um das Cabo de Sao Vicente (‚finisterre‘ portugues) allein schon von Land aus zu sehen, ist gigantisch: Felsformationen, Klötze, Abbrüche, Einschnitte und  Buchten, nach Norden hin unterbrochen nur von kilometerlangen fast leeren feinsten Sandstränden. Auch die Bucht Ensenada de Beliche zwischen Sagres und dem Cabo suchen wir auf: man soll dort windgeschützt ankern können und spart mindestens fünf Stunden Anfahrt von Lagos. Im Blick auf die anschließende Nachtfahrt nach Cascais ein guter Grund, sich hier  genau umzuschauen. Es passt, wir kommen.

 

Unterwegs die erste Fast-Panne aus Unachtsamkeit: wir geraten plötzlich in ein nicht in den Seekarten ausgewiesenes betonntes Feld mit Fischernetzen, geistesgegenwärtiges Umdrehen und Rausmanövrieren klappen jedoch. Außer uns ankern in der Sagres-Bucht noch zwei Segler, beide sind  morgens schon sehr früh verschwunden. Der Wind stabil: 6 Bf aus E; wir warten ab, außer um’s Kap rum oder zurück gibt’s eh keine Alternative.   Mittags entscheiden wir uns für die Weiterfahrt. Es wird eine quaddelige Angelegenheit ums Respekt einflößende Cabo und eine kalte Nacht, wir wechseln stündlich die Wache. Am Küstenstreifen vor Cascais ziehen Gewitter entlang – hoffentlich kriegen wir nichts ab – der Blick wechselt ständig zwischen Himmel und dem sich nähernden Hafen – wir schaffen es. Eine zweite Fast-Panne allerdings an der Wartepier: wir berücksichtigen im Einfahrtskanal zu wenig Wind und Strömung: beim Ablegen treibt das Heck weg, wir drehen uns um 180 Grad,  müssen nochmal raus und  einen neuen Anlauf nehmen. – ‚Aller guten (Pannen-)Dinge sind drei‘!?  Wir werden sehen! Auf der Weiterfahrt statt Starkwind mal wieder Flaute und  wie befürchtet Nebel, allerdings schon früh: gleich hinter Cascais, im letzten Jahr war er nördlicher, der graue atlantische  Ententeich. Uns begegnet nichts außer  Fischersch… mit luftballonkleinen Bojen. Wir rechnen aus: von Palma bis hier sind es 1000 sm, davon nur knapp 300 unter Segeln, der Rest zusätzlich oder sogar ausschließlich mit Motor. Es ist aber auch fatal mit dem Wind: entweder Flaute oder direkt von vorne. Worüber spricht man unterwegs so den ganzen Tag? Beispiel einer assoziativen Bordkommunikation: „Wenn ich hinten rausgucke, seh‘ ich nicht viel …“ – „Dann guck nach vorne, ist eh besser …" -  Tja, so weit, so gut.  Wir trösten uns mit dem Gedanken und empfinden mächtig Vorfreude darauf, wenigstens in Ärmelkanal und Nordsee einen schönen Westwind zu haben, da „zischen wir durch!“…schauen wir mal …

Über Nazare lohnen ein paar Worte: ein liebenswertes kleines, wie uns scheint  ausschließlich von Portugiesen besuchtes Touristen- und ansonsten Fischerstädtchen. Es bietet: eine mehrere Kilometer lange Strandpromenade, drei, vier Querstraßen, darin Läden, die neben dem üblichen chinesischen Strandzubehör auch qualitativ hochwertige landestypische Wollprodukte zu erstaunlich günstigen Preisen anbieten, kleine, Plastik-bestuhlte Lokale mit Grill an der Hauskante, die für unseren Geschmack den leckersten Grillfisch zubereiteten. Unser Abendessen:  zwei Fischhälften, viel grobes Salz, abgetrennter Kopf mit Zähnen daneben, Pommes und Salat.  Auf der Promenade staunen wir über zig schwarzgekleidete Großmütter unbeweglich auf Plastik-Gartenstühlen mit handschriftlichem Plakat auf dem Schoß: “Zimmer zu vermieten“ (in fünf Sprachen!). Im Hafen: Riesenlagerhallen für Fisch, eine kleine Privat-Marina mit drei Visitorstegen, zwei Stromkästen und einer Bar nebst Minishop, dessen Inhaber von Heidelberg  und von einem WM-Finale zwischen Deutschland und Portugal schwärmt.  Außer uns liegen dort: zwei Franzosen, ein Deutscher und ein Holländer. Es befinde sich alles im Umbruch, erklärt der Contremaestre (Hafenmeister), die Marina befinde sich seit kurzem in neuer Hand: sie werde von einem Engländer betrieben. Wir denken an das Referendum…

Alle Portugiesen sind extrem freundlich – sogar die Fischer grüßen und winken: das haben wir noch nie erlebt! Hobbyseefahrer schienen uns sonst immer von Fischern als lästige Störenfriede abqualifiziert zu werden, für die man nicht oder nur ungern den Kurs ändert.

Von Figueira da Foz geht es schon wieder für einige Tage nicht weiter: Starkwind von vorne und kein passendes Zeitfenster für die 60sm-Strecke bis Leixoes innerhalb der nächsten Tage. Also fahren wir mit dem Zug nach Coimbra: eine der ältesten Städte Portugals mit der ältesten Universität des Landes (1290) hoch über der Stadt. Am Arco de Almedina ruhen wir aus und lassen das Ambiente auf uns wirken. Zurück in Figueira da Foz fallen uns im und um den Bahnhof unzählige bepackte junge Menschen auf: wohin – woher? Wir kriegen es raus: Bis heute war Musikfestival in der Stadt und nun steht das WM-Finale (Portugal-Frankreich) bevor, übertragen auf Riesenleinwänden am Strand. Das wird spannend! Wir sitzen abends mit Tom und Petra aus Hamburg auf ihrer „Santos“ zusammen, sie erzählen von ihren Reisen, vor allem von Brasilien, wohin sie vor ein paar Jahren gesegelt sind. Wie ganz viele, die wir bisher getroffen haben, wollen auch sie zunächst mal „irgendwohin ins Mittelmeer“. Genauso unterhaltsam das Plaudern mit den beiden Holländern Frans und Meike auf ihrer „Polaris“. Sie sind wie wir auf dem Heimweg – wir haben uns auf der langen Strecke aber leider nirgends wieder getroffen. Im Leixoes haben wir dann plötzlich keinen Strom mehr: weder 12- noch 220Volt. Die Service-Batterie muss ersetzt werden. Es klappt dank der freundlichen Unterstützung des Hafenbüros  rasch, nur das Paneel spielt nicht mit: die Anzeige bleibt auf „Leere Batterie“ stehen. Den Softwarefehler kann auch Herr Hoberg per Telefonkonferenz nicht beheben.  also fahren wir so weiter. Zuvor aber holen wir den auf der Herfahrt versäumten Besuch Portos nach, und zwar ganz bequem sozusagen ‚von Haus zu Haus‘ per Bus. Die Linie 507 bringt uns vom Hafen Leixoes  bis exakt in die Oberstadt von Porto. In Viana de Castelo nebelt es, erst nachmittags genießen wir vom Kastell aus einen halbwegs freien Ausblick über Stadt und Bucht.Vier Tage später macht der Motor einige Stunden vor A Coruna plötzlich „plopp“, die Geschwindigkeit sackt auf 4kn ab und bleibt so. Was war nun das? Ein Tauchgang im Hafen bestätigt unsere Befürchtung: eine Fischerleine hat sich um die Schraube gewickelt, ist aber Gott sei Dank relativ problemlos zu lösen und hat offensichtlich keine weiteren Schäden verursacht. 

 

Zufall Nr. 2: Vor exakt einem Jahr waren wir hier! Deshalb können wir genau wie damals auch jetzt das einwöchige mittelalterliche Stadtfest zu Ehren des Schutzpatrons Santiago Apostol miterleben: in der gesamten Altstadt unzählige Stände und Attraktionen, hämmernde Trommelmusik, grandiose Stimmung!