Im Großen Belt

Dann geht es 35sm weiter, an Korshavn vorbei, wo wir eigentlich gerne geankert hätten,  hinüber nach Kerteminde auf Fünen, dem "Garten am Meer". Aiolos meint es gut mit uns, wir haben idealen Segelwind. Auch dieser Ort macht einen gemütlichen Eindruck, das Zentrum liegt gleich hinter dem Hafen, zufälligerweise ist gerade "kirsebaerenfestival" - Was mag das sein? Ein Spaziergang am nächsten Tag gibt Auskunft. Jörg bittet um Fotos, damit er wenigstens Bildeindrücke erhält. Wir ziehen los und sind überrascht: In allen Straßen herrscht Marktbudenbetrieb, es ist voll, aber ohne Hektik und Getöse. Die dänische "Hygge" fällt uns wieder ein. 

 

flott geht's nach Kerteminde rüber

 

                                    Produkt des                                                  'kirsebaerenfestivals'

Offenbar wird das Fest der Kirschenernte wegen gefeiert, überall werden Produkte aus bzw. mit dem Obst feilgeboten. Dazu Stände mit Korbwaren, Antiqiutäten, Schmuck, Stoffen, Büchern, Fisch und unbekannten dänischen Snacks.

Das nächste, wieder ca. 30 sm entfernte Ziel ist Svendborg an der Südostspitze Fünens. Bei Nyborg unterqueren wir die Brücke über den Großen Belt.

Das Ufer des Sundes zwischen Thuro und Thasinge kurz vor Svendborg ist wie im Kleine Belt überwältigend schön besiedelt, nur etwas dichter stehen hier die Anwesen- wieder in der Größe schwankend zwischen Badehaus mit Steg und kleinen Schlössern. 

Svendborg, die zweitgrößte Stadt Fünens, trägt heute den offiziellen Titel "Dänemarks gemütlichste Handelsstadt". Der Jachthafen  zeigt aber noch alle Spuren  des früheren Werftgeländes, das sich bis über die Insel Frederikso erstreckte: Hier wurden riesige Stahlschiffe gebaut, die Werft galt als größter Arbeitgeber der Stadt. Im Hafen ist es sehr eng, wir liegen mit Glück noch an der Außenseite eines Dreierpäckchens. Im Hafeninneren sieht es ganz schlimm aus: Zig kleine, gleichaussehende Motorboote liegen in Viererpacks direkt vor- und nebeneinander, sodass sich eigentlich alle bewegen müssen, wenn das innerste hinaus will. Die erste Reihe hat direkt am Toilettensteg festgemacht und benützt den Zuweg zu den Kabinen als Ablageplatz für ihre Frühstücksutensilien. Guten Appetit, denken wir uns. Vom Stadtspaziergang bleiben die Straßenlaternen in Erinnerung:

Und nun geht's endlich auf Jörgs Lieblingsinsel Aero: 30km lang und an der breitesten Stelle 9 km breit. Hier finden wir laut Aero-guide 2018 die "hygge in Reinkultur". Was ist das? Das schwer zu übersetzende Wort, gleichzeitig Substantiv, Verb und Adjektiv,  markiert die dänische Glücksphilosophie: einen mentalen Zustand, der ungefähr mit Gelassenheit, Gemütlichkeit, Stressfreiheit, Wohlbefinden erklärt werden kann. Wohl auch aufgrund dieser Lebensphilosophie, deren Auswirkungen auf die Bewältigung von Alltagssituationen wir an einigen Orten bereits staunend wahrnehmen konnten, nehmen die Dänen nach Finnen und Norwegern den dritten Platz im "Weltglücksreport" der UN ein. Deutschland z. Bsp. rangiert 2018 auf Platz 15 nach Costa Rica und Irland. 

Es gibt ungewöhnliche bis skurrile Veranstaltungen auf Aero bzw. in deren drei Städten Soby, Aerosköping und Marstal, zum Beispiel die jährlichen Aero Dog Days, an denen ein Hot-Dog-Esswettbewerb stattfindet, einen Seifenkisten-Rennwettbewerb, einen "Magic Loop Stricktag", den traditionellen österlichen Eierkochtag am Strand oder das jährliche  Dreiradroller-Treffen im Juni. Und damit nicht genug: erstaunlicherweise auch eine Tabakplantage  und sogar Weinanbau! 

Wie schon in Svendborg wird auch auf Aero intensiv um Zuzügler geworben: mit Kontaktadressen für interessierte Singles, Familien oder Senioren. Wieder etwas, das uns staunen lässt.

Wir machen in der "Märchenstadt" Aerosköping nicht in der wahrscheinlich überfüllten Marina, sondern im Handelshafen  zusammen mit Tho Kokkino und Johanne, einer weiteren Segeljacht aus dem Osteland, im Päckchen fest und begeben uns - außer Jörg - gleich auf einen Erkundungsspaziergang, zunächst zum Strand: bunte Badehäuschen (es gibt davon streng reglementiert 74 auf der Insel) säumen das Ufer einer großen Bucht mit Ankerliegern, Quallen und vielen Dänen, die trotzdem eifrig im Wasser schwimmen. Natürlich finden wir keine versteinerten Seeigel, Belemniten (=Kopffüßler aus der Kreidezeit!), andere Fossilien oder Bernstein, die es an der 80km langen Küste der Insel geben soll. 

Dann ein Bummel in die Stadt, natürlich mit vielen Fotos für Jörg zum Vergleich mit seinen Eindrücken vor Jahrzehnten. Gemütlich aussehende, auf und ab laufende Straßenzüge mit bunten Häusern ohne großen Touristentrubel, nach jeder Ecke eröffnet sich ein Blick hinunter aufs Meer, viele kleine Restaurants und Hotels, keine Hochhäuser und die Ferienhaus-Siedlungen, soweit wir erkennen können, am Stadtrand. Wir verstehen Jörgs Begeisterung für diese Insel.

Geduldig trägt er die Langeweile an Bord, aber das Bein wird dick, der Fuß schmerzt und der Gips ist schon kaputt. Gedanken tauchen auf, den Urlaub abzubrechen. Abends teilen wir Ulrike und Stefan mit, dass wir heimfahren werden. Da mit der 'Johanne' Bekannte aus Oberndorf eingetroffen sind, mit denen sie noch einige schöne Tage verbringen können, bis Ulrikes Schule wieder beginnt, fällt uns die Entscheidung umso leichter. Gesagt getan, am Montag, 23.7., treten wir mit Nereide die Heimfahrt an. Nur drei Tage werden wir über die Stationen Maasholm und Rendsburg nach Geversdorf brauchen. 

Auf dem Kanal ist es der bisher heißeste Tag: 33 Grad! Wir sehen die unterschiedlichsten und auch witzigsten Arten von Sonnenschutz-Vorrichtungen auf den Schiffen. Die Kieler Schleuse steht offen, wir können direkt hinein und werden sofort geschleust - als Einzige; an der Brunsbütteler warten wir nur gute 15 Minuten, dann gehts bei tüchtig Wind - am Horizont über Land kündigt sich schon ein Gewitter an - rasch über die Elbe in die Ostemündung. So endet am 25.7. exakt  drei Wochen nach dem Start dieser zweite vergebliche Versuch, Dänemark zu umrunden.