zu V.                       Von Gibraltar nach Moraira

 

 

 

 

Do. 27.8.

 

 

Für Andrea und Frank hat alles geklappt: Winterpreis und Mietauto nach Sevilla! Eine kurze herzliche Verabschiedung, dann geht’s für uns weiter, nun wieder nach Norden, die spanische Mittelmeerküste  hinauf , Ob sie mir so gut gefällt wie Galicien und Portugal, ist fraglich, da von nicht endenden Hotelburgen und Gewächsplantagen erzählt wird. Nunja, mal sehen! In Totalflaute und großer Hitze geht’s als erstes nach Estepona: sowohl Hafen als auch Stadt sind wenig berichtenswert, nach Einkauf, Trinken, Kochen stelle ich fest, dass whatsapp nicht mehr funktioniert – ist das Handy jetzt zu guter Letzt auch noch kaputt?

Fr. 28.8.

Wir wollen bei Malaga irgendwo ankern. Um 9.30 starten wir, eine dreiviertel Stunde später streikt der Motor: er überhitzt, es kommt kein Wasser.  Unter Segel also zurück in den Hafen, Gott sei Dank steht der Wind günstig und Jörg steuert perfekt: Wir schaffen es komplett mit dem Vorsegel bis an die Pier. Der Monteur stellt nichts fest! Was war? Er vermutet eine Plastiktüte vor dem Ansaugloch, die sich während des Segelns gelöst hat, sodass im Hafen wieder alles in Ordnung war. Sicherheitshalber lassen wir den Impeller austauschen. Mit  zweistündiger Verspätung geht’s dann erneut los. Wieder nahtlose Bebauung der Küste, nur Farben und Architektur der jeweiligen Hochhauskomplexe unterscheiden sich. Marbella sieht aus der Entfernung nicht anders aus als die anderen Städte, auf dem Wasser ist merkwürdiger Weise  kaum was los, die Häfen sind nämlich voll. Es ist leicht dunstig – wie gestern – , der Wind frischt auf, aber von vorne L. Fuengirola ist ein kleinerer, schlichter Hafen (25,-), wir werden für eine Nacht an den Wartekai gewiesen, essen Tapas an der Pier, nichts Besonderes, aber erstmals sehen wir, was  für Tapas-Gebilde es überhaupt so gibt, die wir aus der Speisekarte inzwischen halbwegs identifizieren können. Auch hier kaum Segler, überhaupt fällt auf, dass wir im Gegensatz zur Atlantikküste, wo wir unzähligen Fahrtenseglern von überall her begegnet sind, sie ab Gibraltar  an einer Hand abzählen können! Die meisten sind in Cadiz Richtung Kanaren verschwunden.

Sa. 29.8.

Es geht um 9.30 bei Schwachwind aus NNW die Küste weiter hoch zu einer der Ankerbuchten hinter Nerja (ca. 42 sm). Bei leicht diesigem Himmel motoren wir an ununterbrochener Besiedelung  vorbei, irgendwo beginnt und endet Malaga, wir wissen es nicht und es interessiert uns prinzipiell auch nicht, da aus unserer Perspektive eh alles gleich aussieht. Trotzdem kommt keine Langeweile auf, man studiert unaufhörlich die Siedlungsformen, teils hinauf in die Berge gezogen, und entdeckt dabei auch Interessantes: geschleifte mittelalterliche Burganlagen, einen Skiliftkomplex und, noch selten: Orte auf den Bergkuppen. Auf dem Wasser ist absolut nichts los, zwischendurch noch nicht einmal „Fischerscheiß“. Maike sprach von einer Hippie-Bucht (St. Pedro), sie wäre die letztmögliche an diesem Küstenabschnitt. Wir testen die erste hinter Nerja (Le Herradura), ich finde sie nicht schön, das war ein Fehler,  die nächsten sind unpassend für den Fall, dass Wind von See aufkommt. Bis Almunecar tuckern wir weiter, es wird dunkel, wir ankern dort als einzige zwischen einigen an Bojen liegenden Kleinbooten vor Hotelanlagen mit kleinen Stränden, rechts und links von Felsen gesäumt. Idyllisch sieht es aus, doch die Dünung lässt uns rollen mit je 10° Krängung, das nervt  und bringt Unsicherheit bzgl. des Ankerhalts, wir schlafen schlecht bzw. gar nicht.

So. 30.8.

Früh geht’s weiter mit dem Ziel Almerimar. Wieder gegen den Wind (15kn)  motoren bedeutet stundenlanges „Geknüppel“, bis der Steuerstand wieder lose ist, stabil ist er nur beim Stehen auf der unteren Bank. Also ist wieder zusätzliche Vorsicht geboten, 10sm vor Almerimar ändern wir Kurs auf Adra – unter Segeln erreichen wir es rasch, der Hafen entpuppt sich als Geisterort: neben einem „Club-“ und einem wirtschaftlichen Teil befindet sich eine komplett neue, noch unfertige  Marina, in der ein einziges Schiff liegt – blau, aus Deutschland – erster Gedanke natürlich „ Good Luck?“, doch es gehört einem Ehepaar, das denselben Törn macht wie wir und unsere „Nereide“ nach ihrer Aussage bereits  in Brest bemerkt hat. Sie liegen hier schon seit drei Tagen, ohne dass sich irgendjemand gezeigt hat, um das Einchecken zu erledigen, und warten auf besseren Wind. Auch wir melden uns nicht an – wo auch? – niemand kommt, wir überlisten das Gate, bummeln durch die leere Stadt und essen mittelmäßige Tapas. Wie typische Motorbootspanier verschwenden wir auf dem Steg viel Wasser für „Nereide“ putzen, ‚duschen‘ und Wäsche waschen. An Reparaturen ist hier natürlich nicht zu denken. Nach der letzten, unruhigen Nacht schlafen wir hier jedoch wunderbar.

Mo. 31.8.

Nur vorsichtig den Steuerstand belastend nehmen wir Kurs auf das 30sm entfernte Almeria, dort soll laut Hafenbüchern guter Jachtservice vorhanden sein. Es herrscht wie immer bis mittags Windstille, wir legen zwei Badepausen ein: das Wasser ist angenehm temperiert und hier draußen  sauber, wir genießen diese gemütliche Fahrt. In der Bucht von Almeria kommt am frühen Nachmittag Wind auf, wir können segeln! Nach dem Einchecken um 17h nehmen wir als erstes einen tinto lemon ausnahmsweise,  da dieser Bereich eigentlich für „normale Reisende, die sogenannten “Transistos“,  verboten  ist, auf der clubeigenen Terrasse unterhalb eines pompösen Swimmingpools.  Schicke Frauen mit Kindern bevölkern  in übersichtlicher Anzahl die Pool-Liegen, Männer mittleren Alters im Sportdress betreten mit weißen Handtüchern das Areal! Wir fühlen uns unwohl, fremd und schlicht. Der Hafen ist voll mit  je 50% Motor- und Segelbooten, alles wirkt relativ klein und eng. Doch niemand kommt rein oder fährt raus, es ist eine merkwürdige potjomkin‘sche Atmosphäre. Wir treffen die Deutschen aus Adra wieder, sie wollen drei Tage hier verbringen. Wir werden es morgen mit der Steuerstand-Reparatur versuchen, bummeln heute nur knapp rum, entdecken einen Supermarkt direkt gegenüber der Hafenanlage, kochen abends und genießen bis Mitternacht eine merkwürdig klingende  Open-air-Trompeten- und Trommel-Konzertprobe aus dem neben der Marina liegenden Park!

Di. 1.9.

Erkundigungen nach handwerklicher Hilfe zur Reparatur der Steuerstandbefestigung laufen ins Leere. Niemand kann (oder will?) die Schraubarbeiten übernehmen, wir jedoch haben weder Bohrmaschine noch Akkuschrauber dabei. Jörg will selbst einen Notbehelf konstruieren, doch selbst die dazu nötige Spannschraube gibt es nicht im Hafenbereich!  Mit  einem Taxi suchen wir einen Nautikladen am anderen Ende der Stadt auf und lassen uns anschließend ins Zentrum bringen – für insgesamt nur 8,- Euro! Almeria ist sehr großflächig mit Bäumen entlang der Esplanade und schicken Geschäftsstraßen in deren Umkreis angelegt. An Bord befestigt  Jörg mit Spannschraube und Tampen den Steuerstand, er hält! Den restlichen Tag genießen wir mit Schwimmen an der Playa Almeria, einer ausgiebigen Stadtbesichtigung  mit Kathedrale und den über der Stadt thronenden Burgmauern der maurischen Alcazala, einem gemütlichen Tapasessen im zu empfehlenden Restaurant „San Francisco“ und wiederum mitternächtlicher Trompetenmusik.

Mi. 2.9.

Um 10 Uhr starten wir zu einer Ankerbucht hinter den imposant aufragenden kahlen Felsen des Capo Gato. Erstaunlich nicht nur die Formationen, sondern auch die Farben der Felsen: komplett unterschiedlich von braun über gelb bis grau und sogar weiß, schroff über kantig bis schildkrötenpanzerartig. Die Bucht Genoves/San Jose empfängt uns mit einer traumhaften Kulisse: karibikähnliches kristallklares warmes Wasser, ausgedehnter (bevölkerter) Strand, ankernde Motor- und inclusive Nereide vier Segelbooten, umrandet von Machia-bewachsenen kamelhöckerähnlichen Bergen, von hier aus gesehen ohne jegliche Bebauung außer unterschiedlich farbigen 12 Häusern, am Hang des  östlichen, die Bucht begrenzenden Berges hinauf liegend. Darunter erkennbar Grotten über dem glasklaren, türkis- bis tiefblauen Wasser. Man sieht den Grund, Fische schnappen schwarmweise über Bord geworfene Brot- und Käsereste. Es ist unvorstellbar schön hier bei blauem Himmel und schwachem Westwind als günstige Voraussetzung auch für eine ruhige Nacht. Wir fahren mit Beiboot an den Strand, schwimmen, begutachten den Ankerhalt, sehen weiteren Jachten beim Ankermanöver zu – alles in äußerster Muße und Gemütlichkeit – und umrunden die gegenüberliegende Felsnase hinein in die Bucht des Ortes San Jose, essen dort einen Salat und fahren gegen den stärker gewordenen Wind zurück: Spritzwasser und Nachtanken während der schaukeligen Fahrt gegen den Wind machen diesen zweistündigen Ausflug spannend. Der Wind nimmt zu, es wird unruhiger, lauter auf dem Schiff, doch der Anker hält, auch die Nachbarn liegen fest, wir schlafen phasenweise gut. In einer englischsprachigen spanischen Zeitschrift ist zu lesen: „Las Genoves: offiziell die schönste Bucht Spaniens!“ – und wir sind dort!  Nach unserer bisherigen Buchtenkenntnis können wir dieses Urteil nur bestätigen!

Do. 3.9.

Wir sind unschlüssig, ob weiter oder nicht. Es gibt allerlei jeweils unterschiedlichen Windschutz bietende Ankerbuchten im weiteren Küstenverlauf dieser übrigens  trockensten Gegend Spaniens, für den gegenwärtigen SW wäre es sinnvoll zu bleiben, für den vorhergesagten  Windwechsel müssten wir hier weg. Bisher allerdings haben eigentlich alle Prognosen nur ansatzweise Verlass geboten. Wir entscheiden uns daher für weiter: bei Windwechsel nehmen wir eine Bucht – bis zum Punta Javana gibt es noch ca. vier (eine davon die berühmte Hippiebucht Cala de San Pedro);  falls der Wind so bleibt und uns von hinten tüchtig schiebt, könnten wir es bis zum kleinen Hafen Villaricos schaffen. Um 11.30 lichten wir den Anker. Zunächst läuft’s gut, nur beim Kreuzen gibt’s Probleme  mit der Rollfock, wir setzen die kleinere Arbeitsfock am zweiten Vorstag. Auch mit ihr erreichen wir noch  4-5 kn; wenn’s so bleibt, können wir bis 20 Uhr in Villaricos sein. Wegen der häufig ungenauen Betonnung im Vergleich zu Lowrance und Karte laufen wir im Dunkeln ungern Häfen an. Wir schwenken ab nach Garrucha, der Hafen scheint uns besser angelegt. Um 18.30 legen wir längsseits hinter einer 9m-Westerley aus Dreye (!) mit Ehepaar und Hund an. Sie sind das dritte Jahr unterwegs, allerdings durch Kanäle ins Mittelmeer gekommen. Auch hier erweisen sich Moorings – zumindest für unsere Längslage – infolge des Muschelbewuchses nicht nur als lästig und schmutzbringend, sondern auch als ein Verletzungsrisiko. Von einem der Pierlokale aus schauen wir durch Palmen auf die Hafenanlage mit vielen kleinen Motorbooten, wenigen „Transisto-Jachten“ und einem Stückgutfrachter, der uns schon lange vor Ankunft  Orientierungspunkt für die Hafeneinfahrt war. Der Ort erweckt einen netten Eindruck,  ist schlicht, sauber,  auch die Marineros sind freundlich, uns gefällt es hier. Ab 21 Uhr füllen sich wie üblich Promenade und Lokale, aber nicht so unangenehm geräuschvoll wie anderswo. Fazit: empfehlenswerte Zwischenstation. Wie bisher an allen Städten dieses Küstenstreifens thronen auch über Garrucha die Reste eines Kastells. Nach der unruhigen Ankernacht schlafen wir trotz leichtem Schwell-Geschaukel hervorragend.

Fr. 4.9.

Gegen 11.00, damit spät erst,  brechen wir auf zum gut 40 sm entfernten Cartagena. Der Wind weht schwach aus Süd, sodass wir wieder motoren müssen. Die Küste ist nicht mehr so spektakulär wie zuvor, wir nehmen jenseits der Buchten  direkten Kurs auf Cartagena; querab von Aguila können wir segeln: südlicher Wind schiebt uns ordentlich bei 10 kn, die achterliche Dünung lässt uns schaukeln, außer dem Rauschen des klarblauen Wassers herrscht Stille. Dünung und Wind nehmen vor Cartagena zu, wir sind froh, rascher als vorherberechnet anzukommen. Es liegt ein Kreuzfahrer in der Einfahrt des die komplette Bucht einnehmenden „Natur“hafens. Wir entscheiden uns gegen die alte Marina „Regata“, weil die Flaniermeile dort entlang führt, wir nehmen den neuen „YPC“, der zu unserer Freude über Stege verfügt - demzufolge genießen wir das Anlegen. Der erste Bummel entlang der Pier hinterlässt einen positiven Eindruck: es liegen hier die unterschiedlichsten Boote – von kleinen Seglern (Engländer, Franzosen, Holländer) bis zu Riesenjachten, eine davon mit  5 Salings. Wir essen auswärts, trinken Tinto und gehen erfreut über den sicheren Hafen angesichts des angekündigten miesen Wetters zu Bett. Maike erzählt, auf Mallorca habe es Unwetter mit Tornados gegeben – vielleicht zieht das ja nun zu uns  aufs Festland rüber.

Sa. 5.9.

Der Stadteindruck entpuppt sich als zwiespältig: Zwar verfügt Cartagena aufgrund seiner vielschichtigen Historie –  seit seiner Gründung angeblich durch Hannibals Vater Hasdrubal prägten hier Phönizier, Karthager, Araber, Griechen, Römer das Stadtbild –  mit 7 Kastellen auf sämtlichen (!) die Hafenbucht umgebenden Hügeln und allerlei römischen Bauwerken und Anlagen, unter anderem einem gut restaurierten Amphitheater, über interessante Objekte, aber in der gegenwärtigen Infrastruktur fallen extrem viele Potjomkinsche Häuser und Abbruchruinen auf: des Straßenbildes wegen stehen sogar  häufig  noch die Außenmauern von Häusern, mitunter  hinten abgestützt oder vorne eingetütet zum Schutz vor Einsturz. Viele Leerräume aufgrund abgerissener oder eingestürzter Gebäude , verkommene Fassaden, schmutzige Straßen verstärken den Eindruck von großer Armut in dieser Stadt. Wir werden des Wetters wegen morgen noch bleiben, hoffentlich kann es Montag weiter gehen, die Prognosen allerdings sprechen dagegen:  Regen und Wind um 15 kn, manche Vorhersagen sprechen von über 20 kn.

So. 6.9.

Wir fahren mit dem Bus nach Murcia. Dort soll Stadtfest sein. Die Fahrt führt über ausgedörrte Landschaft mit in Form quadratischer Seen künstlich angelegten Wasserspeichern und Zitrusplantagen, sonst kein Bewuchs, nur roter Lehm zu sehen;  da es geregnet hat, sieht alles überflutet aus. Murcia gefällt uns von  Architektur und Infrastruktur her besser als Cartagena: gepflegte, restaurierte Gebäude vorwiegend des 19. Jahrhunderts  fallen ins Auge, dazu eine schöne Kathedrale. Allerdings scheinen die Festbuden geschlossen, jedenfalls ist alles leer, wohl des Regenwetters wegen – schade. Auf der Rückfahrt sieht man trotz Nebels im 400 m hohen „Gebirge“ schon von weitem die Schneise zwischen zwei Bergen, die die Bucht Cartagenas markiert. Die Wolken hängen tief, wir sind gespannt, ob es morgen weiter gehen kann. Die Prognosen sind wie so häufig unterschiedlich.

Mo. 7.9.

Wir starten um 10.00 Uhr und kehren eine Stunde später kurz nach Verlassen der schützenden Bucht um: Zweimeter-Wellen von vorne, das ist für 40 sm zu viel. Gott sei Dank entschieden wir so, denn kaum machen wir an unserem Liegeplatz wieder fest und gehen an Land, beginnt das Unwetter mit unaufhörlichem Starkregen und Mega-Donnerschlag. Wenn das kein Zeichen ist?! Es hört gar nicht mehr auf, stundenlang sitzen wir unter einer Cafe-Markise, drum herum ungeachtet des Wetters frohgelaunte trinkfreudige englische Touristen eines sehr merkwürdigen Kreuzfahrschiffes: mit nur 5 Etagen, dafür 5 Segelmasten sowie allerlei Spanier, die mit phantasievollen Mitteln versuchen, sich Regenschutz zu verschaffen, sofern sie keine Schirme haben: Aktentaschen, Kartons oder Tüten auf dem Kopf, Plastikfolien als Anorak usw. Für den Rückweg  kaufen wir zwei Kinderschirme in einem der zahlreichen Chinaläden, der  Stromausfall im Hafen wird von den Marineros gelassen als Normalität bei diesem Wetter  bezeichnet, ein wundervolles Abendessen entschädigt für diesen verlorenen Tag: Spanische Bratwurst, Ziegenkäse-Rollen und Piementomarmelade und Salat! Die Prognose für’s morgige Wetter sieht nicht besser aus, nachts gewittert es…

Di. 8.9.

Früh geht’s aus dem Bett mit Blick in den Himmel: es sieht nicht schlecht aus, in unserer Fahrtrichtung nur Wolken über dem Meer. Wir fragen die neben uns liegenden netten Holländer (mit Haus in Portugal), wie sie die Lage einschätzen, ihr System zyGRIB7.0 –  ihrer Aussage nach Grundlage sämtlicher niederländischen meteorologischen Dienste –  sagt wie unsere Apps 10 kn, leider aus NO, dann Ost bei 1,5m Wellenhöhe voraus. Gut dabei: die Bewölkung ziehe sich nach NO zurück, Großwetterlage brauchbar. Wir starten um 9.15. Die Küste entlang bis zum Capo Palos läuft’s ruhig, da die Berge an Bb vor dem Wind schützen. Wie es danach mit Kurs Nord aussieht, ist fraglich. Das zerklüftete Capo wirkt bei der Umrundung  noch etwas gruseliger als das Capo Gato und selbst die beiden Finisterre-Kaps, die viel größer waren. Hinter Palos öffnet sich das Mar Manor, ein Binnenmeer mit schmaler Landbegrenzung, absolut hässlich dicht  mit Hochhäusern bestückt: „Manhattan“, wie Jörg es nennt. Eine einzige Brücke ermöglicht die Zufahrt, es soll schön dort sein – bezeichnenderweise gibt es 9 Jachthäfen – aber quallenverseucht und nur grenzwertig tief. Wir passieren mittags – noch immer bei 10 kn aus NO – den langen Küstenstreifen, fürchten dabei zunehmend angesichts der Wolkenberge vor uns am Ende des Mar Manor, damit auch über dem ca. 10 sm dahinter liegenden Torrevieja, wohin wir wollen, in ein Unwetter zu kommen, geblitzt hat es dort schon. Der Motor schnurrt zuverlässig, einige Jachten haben den gleichen oder gegensätzlichen Kurs, Jörg passt höllisch auf sicheres Passieren riesiger Thunfischzuchtanlagen entlang der Küste auf, wir können es bis gegen 16 Uhr bis Torrevieja geschafft haben, wenn sich die Wolken verziehen, vielleicht sogar einen Hafen weiter. Danach steht mit Sicherheit Alicante auf dem Zielplan. Am Ende des Mar Manor lässt der besorgte Blick zum Himmel Arges befürchten: kaum Segel runter und Öljacken an, schon geht es los: ein klassisches Gewitter mit zunächst kleinem Sturm – wir schaukeln, Jörg seit der Biskaya auf einem Fender sitzend! – dann Blitz, Donner, Regen, Gischt, umzu nur schäumendes, türkis-weißes Wasser, die Sicht maximal 10 Meter.  So können wir nicht in den Hafen einlaufen, es sind aber noch ca. 5 Meilen – und wir haben Glück: der Starkregen lässt nach, das Gewitter zieht weiter auf die offene See, die Hafeneinfahrt ist passierbar, ohne dass wir draußen hätten abwettern müssen. Drinnen hört schlagartig  das Geschaukel auf. Alles ist mal wieder nass, was erst störend wirkt bei der langwierigen Prozedur des Einklarierens. Der überraschend große Hafen bietet 800 Liegeplätze, verteilt auf drei Marinas, wir werden zur neuen  „Marina Salinas“ geleitet. Alles ist sehr übersichtlich, großzügig und geschmackvoll angelegt, überall Pflanzen, z.T. in Trögen in Schiffsform, alles wirkt sauber, die Angestellten sind sehr freundlich, der Preis von 25,- ist günstig. Gleich erkundigen wir uns nach dem Preis für ein Winterlager: 1.800,- für sechs Monate, das ist das bisher billigste Angebot. Uns scheinen mehr als ¾ der Liegeplätze bereits mit für die Überwinterung vorbereiteten Booten besetzt zu sein. Auch die Stadt macht einen angenehmen Eindruck: sauber, hübsch angelegt zwischen Hafen und Geschäftsstraßen mit Palmen, Bänken und vielen einladend wirkenden Lokalen; es scheinen sich hier auch noch mehr Urlauber aufzuhalten als in den bisher besuchten Orten. Hinter der Stadt befindet sich ein Salzsee, Baden soll sich positiv gegen Rheuma und Wassersucht auswirken (bester Zugang beim Carrefour). Es gibt im großen Buchladen sogar CDs und deutsche Bücher, ein Angebot, das wir so noch nirgends gesehen haben.  Alles in allem: Hafen und Stadt empfehlenswert! Exkurs: Ich sehe vor dem Schlafengehen im Cockpit liegend und den Himmel betrachtend etwas, das ich nur als Ufo bezeichnen kann,  lautlos und gemächlich  in Fahrtrichtung in 200-300m Höhe durch den Himmel schwebend: kreisrund, komplett dunkel (braun?) mit 40-50 nur schwach schimmernden kleinen Lichtern, aussehend wie Glühbirnen! Jörg guckt noch nicht mal hoch – das hätte er nur getan, wenn ich das Wort „Ufo“ nicht gebraucht hätte….

Mi. 9.9.

Wir starten bei schönstem Wetter – leider ohne Wind – um 10.30 zum 28 sm entfernten  Alicante. Beim Auslaufen bemerken wir „Hongkong“: einen Katamaran aus China(!)  oder wenigstens dort gemeldet. Die Küste ist nicht  sehr abwechslungsreich: Ort neben Ort, aber vom Gesamtbild her haben wir um Malaga herum schon Hässlicheres gesehen. Hier scheint es, als habe in der Stadtplanung Einsicht geherrscht,  Hochhäuser vernünftigerweise  hinter (!) die am Wasser liegenden kleineren Gebäude zu setzen, was die Wohnkomplexe ansehnlicher macht.  Es  wird stechend heiß, segeln ist nicht möglich, die Ventile im Motor klappern, die Fahrt ist langweilig, 15.30 sind wir fest in der „Marina International“. Der „Real Club“, den wir des Preises wegen anvisierten, meldet sich per Funk nicht. Es scheint Nebensaison zu sein, angesichts des superschicken Ambientes in der Rezeption erscheinen uns die teuren 34,- pro Nacht noch günstig. Für die Kategorie 6, das heißt die teuerste, sind  die Channel und 450 Liegeplätze  eng, für große Boote, von denen hier nicht wenige liegen, ist das Manövrieren zwar aufgrund ihrer Technik leichter als für unsere alte Lady, aber sicher trotzdem beschwerlich! Die Pier ist von unzähligen Lokalen, darunter  erstaunlicherweise nur vier  nautische Läden mit schmalem und teurem Sortiment,  gespickt, die Uferpromenade mit Buden unter Palmenallee bestückt. Majestätisch thront das Kastell St. Barbara direkt am Hafen über Alicante, nachts eindrucksvoll beleuchtet. Im Buchladen „Silsa“ in der“ Italian“-Straße finden wir Seekarten von Ibiza und Menorca. Die Stadt erstreckt sich weit entlang der Küste, vom Kurzeindruck her ist sie Torrevieja vergleichbar sauber, schön im Promenadenbereich bepflanzt, mit abwechslungsreichen und z.T. auch originellen Eyecatchern (Schiffsnachbau, Skulpturen, Sitzbänke…), aber zum Angucken und sogar zum Motorprüfen (die 400-Std-Inspektion hätten wir angesichts der Ventile  vorziehen können) bleibt keine Zeit: Das hält auf, wir wollen ankommen. Also Daumen drücken wegen der Ventile für die Fahrt morgen an Benidorm vorbei bis dorthin, von wo aus wir dann Ibiza ansteuern!

Do. 10.9.

Wieder kein Wind! Nach wie vor nehmen wir die Küste als wenig abwechslungsreich wahr, gute Gelegenheit, sich mit Bootsarbeiten zu beschäftigen, wir wollen am Ziel Palma schließlich schick aussehen: vor allem  die Chromteile müssen dringend aufpoliert werden,  zweieinhalb Monate Fahrt haben viele Bleich, Stumpf- und Rostspuren hinterlassen. So vergeht die Zeit angenehm, nach dem dicken Fels bei Calpe ist schon das  Capo Nano mit dem süßen Örtchen Moraira  zu sehen. Längsseits der Außenmole festmachend werden wir   dort extrem freundlich empfangen. Im Hafen mit ca. 400 Liegeplätzen  dominieren die Motorboote, darunter aber wenige protzige, die Autostellplätze sind sogar mit Sonnensegeldächern (!) versehen, alles ist hier prima, nur: im Sommer soll es kaum Platz geben, es war zu lesen, dass dieser von einem Verein geführte Hafen sich jedoch grundsätzlich bemühe, jedem – notfalls in Päckchen – einen Liegeplatz zu ermöglichen. Im Ort überraschen uns die vielen Immobilienbüros mit Exclusivvillen-Angeboten,  der offensichtlich große Stellenwert der deutschen Sprache: sogar  Firmen- und Handwerkerautos sind neben spanisch und englisch in deutsch beschriftet, und:  hier flanieren  noch viele Touristen,   unter ihnen auffällig viele Deutsche und Asiaten. Wir hoffen, morgen bei Südost nach Ibiza übersetzen zu können. Sollte es Ost sein, müssen wir warten, es sind immerhin knapp 60 Meilen, wir müssen um 6 Uhr los. Alle Geräte werden nochmal aufgeladen, wir checken sämtliche Wettervorhersagen, da kein großer Verlass drauf ist, werden wir, wie bisher meistens, erst  spontan entscheiden. Es windet abends noch stark, wir sind gespannt, wie es morgen aussieht.