Zum Kleinen Belt

Vor Brunsbüttel liegen wir zunächst einmal gefühlt stundenlang in der Warteposition für die Schleusung. Dann aber geht es fix und wir geben 'Gas' bis Rendsburg. Ziemlich kühl ist es noch und durch den Kanal zu motoren eher langweilig. Dennoch nimmt man kein Buch in die Hand oder döst, man könnte ja etwas verpassen beim Spazierengucken: kommt eine Fähre? ein Dampfer? ein Wohnmobilstellplatz? Davon gibt es inzwischen unzählige, dicht an dicht mit Fahrzeugen bestückt, alle zwar mit Nase zum Ufer, aber aufgeklappten Satellitenschüsseln.

 

Laboe: absolut beliebter erster Anlaufhafen nach dem Kanal und der mit Schiffen übesäten Kieler Bucht. Naja, nicht so ganz unser Geschmack: schnieker voller Jachthafen mit geschätzt 800 Plätzen, alles recht edel, reiner Ferienort drumrum und am Ende das überdimensionierte riesige dunkle 1927-36 erbaute Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten der kailserlichen Marine. Erlebnisreich dagegen die Radtour in entgegengesetzter Richtung nach Möltenort: Dort gibt es sowohl das größte -  für zwei Personen dimensionierte? - Stück Rhabarberkuchen im Strandcafe als auch eine sehenswerte kleine Kunstausstellung einer einheimischen, rührig ihre Exponate erklärenden Künstlerin.

 

 

noch ein bisschen frisch im Kanal

   

                                              Park in Rendsburg

 

                 

        Tho Kokkino in der Einfahrt des                                                  Jachthafens Laboe                    

 

 

                                             

                                                 Spiegelung eines ehemaligen Fischerbootes

                                                            (Künstlerin aus Möltenort)

Es läuft gut unter Segeln zu unserer nächsten Station: dem an der Schleimündung gelegenen Fischer- und Ferienort Maasholm. Der Hafen zwar groß und daneben der obligate WoMo-Stellplatz, der Ort selbst aber wie aus der Zeit gefallen: klein mit dichtgedrängten ebenfalls kleinen, gepflegten gelben oder Rotsteinhäusern, Kletterrosen neben den Türen, kleiner Kirche, urigen Fischerstegen. Es scheint, als ob sich alle Bewohner persönlich kennen. Die 'Hausnummerboote' fallen auf: Fast jedes Haus wird von einem solchen kleinen dreidimensional halben Fischerboot geziert. Im Dorfladen ist man  uns behilflich, den Hersteller zu finden, dieser, eine Unmenge Erdbeermarmelade einkochender Senior, ist behilflich, uns zwischendurch auf die Schnelle ein Wunschschild für Zuhause herzustellen. Wir sind sprachlos.   

 

Hausnummer-Boot: Mitbringsel aus Maasholm 

Er erzählt, eher beiläufig, aber mit Staunen und auch Stolz in der Stimme, das am weitesten entfernte seiner Schilder sei in Kanada.    

               

                 (ehemalige) Fischerstege rund um Maasholm

Wir wollen uns Kappeln ansehen. Also geht's zu viert per Fahrrad auf die 12 km lange Strecke: Wasser, Wälder, Weizen und die hügelige Landschaft sind wunderschön, vom Ort jedoch sind wir etwas enttäuscht: von allem zu viel:  Menschen, Ausflugsschiffe, heckseitig angelegte Jachten zum Sehen und vor allem Gesehenwerden, alles erinnert daran, dass Hochsaison ist. Wir radeln relativ fix wieder zurück, bummeln lieber nochmal durch Maasholm und beratschlagen die nächste Teilstrecke: Jörg würde uns gerne das östlich gelegene Aerosköping zeigen, wo er früher schonmal mit seinem  Segelboot 'Shedir' war. Ein Blick auf Wind und  Zeit erfordert eher ein zügiges Weiterfahren durch den Kleinen Belt gen Norden. Der Plan: Falls wir es  aus irgendwelchen Gründen nicht bis Skagen oder zum Limfjord schaffen sollten, könnten wir dann schön durch den Großen Belt um Fünen herum über Aerosköping zurück! Also brechen wir auf nach Sonderborg auf der Insel Als, motoren leider wegen Windstille und machen nach kurzer Fahrt im Stadthafen als Zweierpäckchen fest.     

 

Einfahrt in den Stadthafen Sonderborg

Sogleich werden wir von einem älteren Dänen auf Deutsch angesprochen: Was denn mit dem deutschen Fußball los sei? Und auf der Uferpromenade steht ein Denkmal von Günter Grass' Butt - merkwürdig! Ein Blick in die Historie gibt Auskunft: ab 1870 preußisch, ab 1920 wieder dänisch, aber noch immer mit einer deutschsprachigen Minderheit. Da die Preußen die Altstadt weitgehend zerschossen haben, zeigt sich Sonderburgs Innenstadt heute als vorwiegend Jugenstil-geprägt. Das Schloss am Ende der Promenade ist just Austragungsort eines Oldtimertreffens, zwei Gründe dafür, dass uns - jedem auf seine Weise - die Stadt gefällt. Nur schockieren  erstmals die dänischen Preise: ein Hotdog ist lecker und mit knapp 3 Euro noch vergleichsweise günstig, 2 Kugeln Eis dagegen kosten 4,80 Euro. 

Gleich am nächsten Tag geht's weiter den Kleinen Belt hinauf bis Assens auf Fünen. Es herrscht Flaute, von der angekündigten Strömung im Belt merken wir nichts, aber es ist voll! 

 

raus aus Sonderborg durch die Klappbrücke

 

                               ein Kommen und Gehen auf dem Kleinen Belt

Auch Assens ist eine nette, unhektische Stadt. Nach dem obligaten Stadtbummel nehmen wir die Räder und fahren nordwärts immer das Ufer entlang bis zum nächsten Ort. Auch hier scheint uns, die Zeit sei stillgestanden, es ist ruhig, einsam, pure Natur! Und die immer wieder neuen Buchten, Abzweigungen und 'Minifjorde' erweisen sich als ideale Ankerplätze. Hier würden wir gerne mal übernachten oder besser noch wohnen - was wir später auch von Aerosköping sagen werden.

Auf der Weiterfahrt durch den Kleinen Belt kommen wir aus dem Staunen nicht heraus: in gefälligem Abstand voneinander liegen Einzelhäuser in unterschiedlichsten Farben und Größen von winzigen Badehütten über Wohn- Ferien- und Bauerhäusern bis zu stattlichen Herrenhäusern am Ufer, alle selbstverständlich mit eigenem Steg.

 

charakteristische Üferbesiedlung 

am Kleinen Belt

Am Ausgang des Belts laufen wir den Gemeindehafen (dänisch: "gammelhavn") von Middelfart an, ein auf den ersten Blick winziges Hafenbecken, in dem neben einem örtlichen Ausflugsdampfer und einem Zweimaster, der für Gruppen  whalewatching-Touren anbietet, nur gut 20 Segler liegen, darunter keine moderne Jacht. Wir fühlen uns im Dreierpäckchen sehr wohl, bummeln ein wenig durch den Ort, um gemütlich bei einem Kaffee die Stadtatmosphäre auf uns wirken zu lassen und landen im Cafe Razz auf der Promenade, neben dem ein Erfrischungspool nebst Liegestühlen zum Betrachten der herrlichen Bucht einlädt. Früh morgens werden wir vom am Schiff klopfenden Hafenmeister geweckt, der die Übernachtungsgebühr persönlich kassiert. Bisher geschah dies durchweg personalfrei an Automaten. Kurz darauf bewegt sich geräuschlos im Zentimeterabstand der Ausflugsdampfer an uns vorbei: aufgrund eines Motorschadens wird er von drei Männern im engen Hafenbecken trickreich nur mit Stricken und Muskelkraft in absoluter Ruhe ("Hygge") in die vor uns liegende kleine Werft gezogen und geschoben. Alles passiert völlig unaufgeregt mit Lächeln im Gesicht und ein paar freundlichen Worten zu uns staunenden Touristen.

Unter der Brücke zwischen Jütland und Fünen hindurch verlassen wir den Kleinen Belt. Es ist heiß, der Wind steht schlecht. Wir könnten kreuzen, aber da wir festgestellt haben, dass man bis 15 Uhr einen Hafen erreicht haben muss, um noch relativ problemlos einen Platz zu kriegen, entscheiden wir uns wieder für nur eine kurze Etappe unter Motor hinüber nach Juelsminde auf Jütland. Von dort soll's dann aber auch endlich rasch weitergehen - die Zuversicht (auf guten Wind) stirbt bekanntlich als Letztes. Auch diese Marina ist riesig, wir liegen außen, können vom Liegeplatz aus  wunderbar hinaus auf's Wasser schauen, dafür ist der Weg zu Hafeneinrichtungen und Supermarkt recht weit, wir kramen die Roller aus der Backskiste...